Happy Pride (Teil 2): Von „One Day at a Time“ bis „Sense8″ und mehr…

In Teil 1 des Specials aus Anlass der Pride Week in Hamburg habe ich über die Bedeutung der Darstellung von LGBT*-Figuren und Geschichten auch in Serien geschrieben und dass das deutsche Fernsehen hier noch enormen Aufholbedarf hat. Im zweiten Teil stelle ich einige Beispiele für die Darstellung von LGBT* in Serien vor, die ich gut fand.

Nachdem ich vor einigen Tagen meinem anhaltenden Frust über die Repräsentation und Darstellung von queeren Figuren in deutschen Serien ein wenig Luft gemacht habe, wende ich mich heute wieder dem zu, was mir am Bloggen mit am besten gefällt: Über Dinge zu schreiben, die ich gut finde. In diesem Fall sind das Beispiele für gut erzählte queere Figuren oder Storylines bzw. Serien, die das mit der Vielfalt generell gut hinbekommen.

Queere Figuren als Auswahl-Kriterium

Wer ein bisschen in den Beiträgen in diesem Blog stöbert, dem dürfte auffallen, dass ich häufig über Serien schreibe, in denen es mindestens eine queere Figur gibt. Dies liegt nicht unbedingt daran, dass Serien, die das mit der Repräsentation von LGBT* wenigstens irgendwie hinbekommen, bei mir automatisch höher im Kurs stehen. Sondern es dürfte damit zusammenhängen, dass diese Serien eher auf meiner „Sollte ich mal reinschauen“-Liste landen, also eher eine Chance haben, dass ich sie überhaupt sehe.

So war es beispielsweise bei One Day at a Time. Da ich nicht unbedingt ein Fan klassischer Sitcoms bin, hätte ich die Serie wahrscheinlich eher nicht auf meine Netflix-Liste gesetzt, wenn ich nicht gelesen hätte, dass es in ihr eine tolle Coming-out-Geschichte gibt.

Zu One Day at a Time hatte ich hier schon einiges geschrieben. Die zweite Staffel ist genauso toll, wenn nicht sogar noch ein wenig toller. Im Hinblick auf LGBT*-Sichtbarkeit und Vielfalt wird u.a. eine nicht-binäre Figur eingeführt und das Thema der Pronomen – d.h. wie möchte eine Person angesprochen werden, die außerhalb des klassischen Mann-Frau-Spektrums ist – auf die übliche charmant-witzige Weise, aber sehr verständnisvoll adressiert.

Wie man Klischees den Stinkefinger zeigt

Eine Serie, über die ich auch schon öfter geschrieben habe und die in diesem Beitrag nicht fehlen darf, ist Wynonna Earp.

In Sachen queerer Vielfalt ist hier natürlich vor allem die Liebesgeschichte zwischen Waverly Earp, der Schwester der Hauptfigur, und der Polizistin Nicole Haught zu nennen, von den Fans liebevoll „WayHaught“ getauft. Eine der Besonderheiten an WayHaught ist, dass ihre Geschichte die zentrale Liebesgeschichte in der Serie darstellt. Das ist für ein gleichgeschlechtliches Paar immer noch selten. Bemerkenswert ist zudem, wie die Macher*innen der Serie bisher das Thema „Bury Your Gays“ adressiert haben.

Eines der klassischen Klischees für fiktive homosexuelle Paare ist, dass sie niemals lange glücklich sind, denn eine/r von ihnen muss zwangsläufig sterben. Zu der Problematik, die häufig mit dem Schlagwort „Bury Your Gays“ bezeichnet wird, habe ich bei Rosalie & Co. vor einiger Zeit einen längeren Beitrag geschrieben. Auch bei WayHaught hatten Fans die Befürchtung, dass dies das Schicksal des Paares sein könnte. Schließlich sind in der Serie – einer Kombination aus Western, Horror und Fantasy – gewaltsame Tode keine Seltenheit. Showrunnerin Emily Andras unternahm schließlich einen ungewöhnlichen Schritt, um die Fans diesbezüglich zu beruhigen: Sie versicherte ihnen noch vor dem Staffelfinale, dass beide Figuren die erste Staffel überleben. Und so kam es auch. In Staffel 2 wurde mit dem schwulen Nerd Jeremy eine weitere queere Figur eingeführt. Das Team um Emily Andras setzte im Hinblick auf „Bury your Gays“ dann noch einen drauf, indem es alle drei – Waverly, Nicole und Jeremy – in eine Scheune verfrachtete und diese in die Luft sprengte. Was die drei nicht nur nicht tötete, sondern ihnen sogar das Leben rettete. Von den Fans wurden sie daraufhin „the unkillable gay squad“ getauft.

Queere Legenden und Superheldinnen(schwestern)

Vorletzte Woche hatte ich schon einmal über Legends of Tomorrow und die Figur Sara Lance geschrieben. Worauf ich nicht ausführlicher eingegangen war ist Saras Bisexualität. In der Serie Arrow, aus der die Figur ursprünglich stammt, hatte sie Liebesbeziehungen sowohl mit der Hauptfigur, Oliver Queen, als auch mit einer Frau, Nyssa al Ghul. Nach ihrem Wechsel in die Serie Legends of Tomorrow wurde dort von Anfang an deutlich gemacht, dass Sara bisexuell ist, und dies auch durchgehalten. In Staffel 3 hat sie u.a. einen „Quickie“ mit dem Dämonologen John Constantine und geht dann eine Beziehung mit der Zeitbüro-Agentin Ava Sharpe ein. Als Ava eifersüchtig auf John reagiert, macht Sara deutlich, dass sie keinen Grund dazu hat: „John’s fun. But he is no Ava Sharpe.“ Sie kontert damit das häufig kolportierte Klischee, Bisexuelle seien nicht treu.

Legends of Tomorrow ist nicht die einzige Serie aus dem sogenannten „Arrowverse“, die sich positiv in Sachen LGBT*-Repräsentation auszeichnet. Hervorzuheben ist da insbesondere die Coming-out-Geschichte von Alex Danvers in der 2. Staffel von Supergirl und ihre Beziehung mit Maggie Sawyer. Auch wenn ich einiges an Supergirl zu kritisieren habe, in dieser Hinsicht haben sie aus meiner Sicht vieles richtig gemacht. Für Staffel 4 wurde zudem die Rolle einer transsexuellen Superheldin mit einer transsexuellen Schauspielerin besetzt, was in Sachen Repräsentation ein wichtiger Schritt ist.

Vielfalt hoch vier im Arrowverse-Crossover

Ein Highlight von Sichtbarkeit und Vielfalt war für mich zudem das letzte Crossover der Arrowverse-Serien Arrow, The Flash, Legends of Tomorrow und Supergirl.

Hier hatten einige Fans den sich schon im Vorfeld abzeichnenden One Night Stand zwischen Sara Lance und Alex Danvers als klischeehaft und nur auf Quote ausgelegt kritisiert. Das wäre er vielleicht auch gewesen, wenn die Verantwortlichen es dabei belassen hätten. Tatsächlich wurde er jedoch zum Ausgangspunkt für ein Gespräch zwischen Alex und Sara, das Alex letztlich bei der Verarbeitung ihrer Trennung von Maggie half. Für Sara war die Begegnung mit Alex der Auslöser dafür, sich für eine neue Liebe zu öffnen, was ihre Beziehung mit Ava ermöglichte.

Neben Alex und Sara gab es im Crossover weitere queere Figuren, nämlich das schwule Pärchen Citizen Cold und The Ray, beide übrigens gespielt von offen schwulen Schauspielern (Wentworth Miller, Russell Tovey). Zudem wurde in der Folge, die teilweise in einer von Nazis beherrschten Parallelwelt spielte, die Verfolgung von LGBT* wegen ihrer Sexualität thematisiert.

Queere Klone und „Sensates“

Last but not least möchte ich noch zwei Serien erwähnen, die zwar beide leider schon beendet sind, aber u.a. dank Netflix noch immer geguckt werden können: Orphan Black und Sense8.

In Orphan Black gibt es mit Cosima Neuhaus eine meiner lesbischen Lieblingsfiguren. Ihre Liebesgeschichte mit Delphine ist komplex erzählt und von den Darstellerinnen Tatiana Maslany und Evelyn Brochu wunderbar und mit sehr viel Chemie gespielt. Ähnlich wie bei Wynonna Earp hat sich die lesbische Romanze der beiden sukzessive zur zentralen Liebesgeschichte der Serie entwickelt. Zudem wurde auch hier, obwohl es zwischenzeitlich mal gar nicht gut aussah, das „Bury Your Gays“-Klischee vermieden. Neben „Cophine“ gab es in der Serie mit Felix eine schwule Figur, die sogar ein Liebesleben hatte, und für einige Folgen auch einen Transmann.

Und zu Sense8 kann ich fast nichts anderes sagen als: Einfach nur großartig! Zwei gleichgeschlechtliche Paare – eine Transfrau mit einer Cis-Frau sowie zwei Cis-Männer – deren Liebesbeziehungen gleichberechtigt neben denen der Hetero-Paare erzählt werden. Die Themen Homophobie, Diskriminierung und Coming-out werden ausführlich und einfühlsam thematisiert, soweit sie für die jeweiligen Figuren relevant sind, die Figuren werden jedoch nicht hierauf reduziert, sondern sind komplex und vielschichtig. Und die Serie endet unglaublich romantisch und mit der ultimativen Botschaft, dass Liebe eben einfach Liebe ist. (Mehr zu schreiben wäre zu spoilern, und ich möchte euch das nicht verderben. ;-))

Und es gibt noch so viel mehr!

Als ich vor einigen Jahren begann, über lesbische und bisexuelle Frauenfiguren in Serien zu schreiben, hätte ich mir nicht vorstellen können, dass ich einmal mit Leichtigkeit einen solch langen Artikel produzieren könnte, der noch nicht einmal annähernd abschließend ist. Beispielsweise habe ich The Fosters noch nicht erwähnt. Oder Orange Is the New Black. Oder die Black Mirror-Folge San Junipero, die so großartig ist und sogar mehrere Emmys gewonnen hat. Es hat sich – zumindest auf internationaler Ebene – in Sachen Sichtbarkeit in Serien viel getan und dank der Streaming-Möglichkeiten über das Internet ist es auch uns in Deutschland möglich, diese Serien zu sehen. Dennoch wäre es schön, wenn auch das deutsche Fernsehen hier langsam mal „aus dem Quark“ kommen würde.

Ich hoffe, dass ich euch einige Anregungen für den nächsten Serienmarathon gegeben habe. Aber bitte erst nach dem jeweiligen Pride in eurer Nähe, denn Sichtbarkeit ist nicht nur in Serien wichtig, sondern auch auf der Straße.

In diesem Sinne: Happy Pride!

Wo könnt ihr die genannten Serien sehen? Bei Netflix findet ihr One Day at a Time, Wynonna Earp (Staffel 1 + 2), Supergirl (leider nur Staffel 1), Orphan Black, Sense8, Orange Is the New Black und Black Mirror. Die ersten beiden Staffeln von Legends of Tomorrow gibt es bei Amazon Prime. Außerdem laufen die jeweils 3. Staffel von Supergirl und Legends of Tomorrow aktuell im deutschen FreeTV, und zwar bei sixx bzw. ProSieben MAXX.