Serie der Woche: Spuk in Bly Manor

In „Spuk in Bly Manor“ geht es um einen verfluchten Landsitz, die Menschen, die dort leben und die Geister, die dort ihr Unwesen treiben. Es geht aber noch um so viel mehr, u.a. eine wunderbare Liebesgeschichte.

Etwas möchte ich diesem Beitrag vorausschicken: Eigentlich bin ich kein Fan von Horrorgeschichten und mit Halloween kann ich auch nicht unbedingt so viel anfangen. Ich habe zwar auch in diesem Jahr wieder Süßigkeiten gekauft, allerdings weniger, um sie an kleine Geister zu verteilen – die in diesem Jahr Pandemie-bedingt sowieso eher nicht an meiner Tür klingeln werden. Schokolade ist und bleibt nun einmal Nervennahrung und die können wir alle aktuell ja ganz gut gebrauchen.

Aber ich schweife ab. Warum ich die Aussage „Ich bin kein Fan von Horrorgeschichten“ vorausgeschickt habe, hat natürlich mit der Serie zu tun, über die ich heute schreibe und die bei Netflix in das Genre „Horrorserie“ eingeordnet wird: Spuk in Bly Manor (Originaltitel: The Haunting of Bly Manor). Es geht darin um Geister und ein verfluchtes Haus. Insofern passt es, heute, an Halloween, darüber zu schreiben, es ist aber mehr ein Zufall. Denn ich habe die Serie nicht gesehen, weil sie gruselig ist, sondern trotzdem. Und ich schreibe das bewusst, weil es sicher einige gibt, denen es mit Horror ähnlich geht und die sich fragen, ob sie es wagen sollen, die Serie dennoch zu gucken.

Denen sei gesagt: Ja, es ist teilweise gruselig. Ja, die Serie ist nichts für schwache Nerven und geht einem nah. Aber vor allem auch deshalb, weil die Figuren – inklusive der Geister! – nicht eindimensional, sondern vielschichtig sind und so menschlich dargestellt werden. Und es geht in der Serie nicht nur um Geister, sondern vor allem um Liebe – was, wie die Serie zeigt, viel miteinander zu tun haben kann. Last but not least: Wer Spuk in Hill House gesehen und ertragen hat, der schafft das auch mit Bly Manor.

Kurz zur Geschichte: Die junge Lehrerin Dani Clayton wird von Lord Henry Wingrave engagiert, sich als Au-Pair auf dem Landsitz der Familie um seinen Neffen Miles und seine Nichte Flora zu kümmern. Deren Eltern sind vor einiger Zeit ums Leben gekommen. Auf Bly Manor trifft Dani auf die weiteren Angestellten des Haushalts: Die Haushälterin Mrs. Grose, den Koch Owen und die Gärtnerin Jamie. Dani erfährt, dass Miles und Flora nicht nur durch den Tod ihrer Eltern traumatisiert sind, sonder auch durch das Schicksal von Danis Vorgängerin Rebecca, deren Romanze mit Peter, einem Angestellten von Lord Wingrave, tragisch endete. Aber kann all dies allein das merkwürdige Verhalten der Kinder erklären? Oder geht in dem Haus noch etwas anderes vor sich?

(Vorsicht: Ab hier gibt es leichte Spoiler.)

Spuk auf Bly Manor enthüllt nach und nach, worum es in der Geschichte tatsächlich geht, allerdings vor allem für die Zuschauer. Die Figuren selbst, insbesondere die Erwachsenen, bleiben eine ganze Weile im Ungewissen – sicherlich auch, weil es ihnen, anders als den Kindern, deutlich schwerer fällt zu akzeptieren, dass es in Bly Manor Geister gibt.

Nun habe ich viel über Unheimliches und Tragisches geschrieben, das in der Serie passiert, und ja, das ist ein großer Teil davon. Aber es geht eben, wie schon erwähnt, auch noch um etwas anderes: Um Liebe.

Im Fokus der Reaktionen auf die Serie steht dabei vor allem die Liebesgeschichte, die sich zwischen Dani und Jamie entwickelt oder, wie die Erzählerin sie nennt, „the au-pair and the gardener“. Diese Liebe rückt tatsächlich im Laufe der Serie immer mehr in den Mittelpunkt. Die Serie erzählt aber noch über andere, ganz unterschiedliche Formen der Liebe: Die toxische Liebe zwischen Rebecca und Peter; die Liebe zwischen Familienmitgliedern – Eltern und Kinder, Geschwister untereinander, aber auch die Wahlfamilie, die sich auf Bly Manor zusammenfindet; die unerfüllte Liebe zwischen Owen und Hannah Grose.

Mich hat, wie so häufig, vor allem das Stichwort „lesbische Liebesgeschichte“ dazu gebracht hat, der Serie eine Chance zu geben. Aber ich finde, dass es sich gelohnt hat. Dabei hat ein kritischer Kommentar bei Twitter eher ungewollt auf den Punkt gebracht, was für mich eine der Stärken der Serie ist, nämlich wie sie Vielfalt zeigt. In jenem Tweet wurde angemerkt, dass es für die Geschichte nicht erforderlich war, sie mit einem Frauenpaar zu erzählen. Und das stimmt. Die Geschichte hätte auch mit einem heterosexuellen Paar funktioniert. Auf der anderen Seite gab es aber auch keinen Grund, die Geschichte nicht mit einem Frauenpaar zu erzählen. Denn es ist nicht die Sexualität der Figuren, die hier im Vordergrund steht, sondern ihre Liebe zueinander.

Vorsicht, Spoiler!

Aufklappen, um weiterzulesen (aber nach Möglichkeit nur, wenn man das Finale gesehen hat)

Aus dem oben genannten Grund – dass Danis und Jamies Sexualität nur in dem Maß eine Rolle spielt, wie es sich aus der Zeit ergibt, in der die Geschichte angesiedelt ist, u.a. dass homosexuelle Paare in den 1990er Jahren noch nicht heiraten konnten – ist die Geschichte für mich auch kein Beispiel für „Bury Your Gays“. Ja, Dani stirbt am Schluss, aber nachdem sie über Jahre hinweg mit Jamie glücklich war. Dabei war von Anfang an klar, dass dieses Glück endlich ist. Danis Tod hat auch nichts mit ihrer Beziehung zu tun. Er kann nicht als Strafe verstanden werden dafür, dass sie lesbisch ist. Sie hat sich für Flora geopfert. Und last but not least deutet der Schluss an, dass Dani und Jamie auch über Danis Tod hinaus weiterhin verbunden sind.

Jamie (Amelia Eve, links) und Dani (Victoria Pedretti)

Spuk in Bly Manor wurde Anfang Oktober auf Netflix veröffentlicht. Die Serie wird oft als eine Art Fortsetzung von Spuk in Hill House bezeichnet, was damit zu tun hat, dass sie vom selben Team stammt und auch viele der Schauspieler*innen aus Hill House in Bly Manor dabei sind. Man kann die Serien aber unabhängig voneinander ansehen. Auch Hill House ist im übrigen sehenswert – allerdings braucht man dafür noch ein bisschen stärkere Nerven als für Bly Manor.