(Dieser Text enthält Details aus den Staffeln 1 bis 3, aber keine Spoiler zu Staffel 4.)
Heute läuft in den USA das Finale der 4. Staffel von Wynonna Earp – und damit wahrscheinlich leider die letzte Folge der Serie insgesamt. Denn obwohl Staffel 5 wohl eigentlich bereits zugesagt war, hat der Sender Syfy vor einigen Wochen bekannt gegeben, dass es diese jedenfalls mit ihnen nicht geben wird.
Und das ist schade. Nicht nur, weil Wynonna Earp eine meiner Lieblingsserien der vergangenen Jahre war und immer einen besonderen Platz in meinem Serienfanherzen einnehmen wird. Sondern auch, weil die Serie ein echtes Highlight ist und aus der inzwischen schier unüberschaubaren Masse an Serien heraussticht.
Kurz für alle, die nicht wissen, worum es in Wynonna Earp geht: Die Titelheldin ist eine Ur-Ur-Enkelin des legendären Marshals Wyatt Earp. Auf der Earp-Familie lastet ein Fluch, der nur gebrochen werden kann, wenn Wynonna als älteste Nachfahrin und damit Earp-Erbin 77 Dämonen – die sogenannten „Revenants“ – mit dem alten Colt ihres Ur-Ur-Großvaters in die Hölle schickt. An Wynonnas Seite kämpfen u.a. John Henry „Doc“ Holliday, nicht weniger legendärer Revolverheld und ehemals bester Freund von Wyatt Earp, sowie Wynonnas jüngere Schwester Waverly.
Das klingt alles etwas skurril und allein diese Beschreibung hätte mich wohl nicht dazu bewogen, die Serie zu sehen. Mit Horror und Dämonen habe ich es nämlich eigentlich nicht so. (Schreibt die Frau, die alle Staffeln von Buffy im DVD-Regal stehen hat…)
Wie so oft war eine Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen für mich der Einstieg in die Serie. Denn Waverly Earp verliebt sich in Staffel 1 in die Polizistin Nicole Haught. Schon bei der ersten Begegnung der beiden Figuren in Folge 2 spürt man, dass sich zwischen ihnen etwas Besonderes entwickeln könnte und zum Glück haben das auch die Verantwortlichen der Serie so gesehen. Denn eigentlich war Nicole nur eine Nebenrolle und in Staffel 1 tatsächlich auch nur in einem Teil der Folgen dabei. Doch nach und nach wurde die Liebe zwischen den beiden Frauen immer wichtiger für die Serie. Spätestens ab Staffel 2 war Wynonna Earp ohne „WayHaught“ nicht mehr denkbar.
Der Erfolg von „WayHaught“ bei den Fans hat dabei nicht nur mit der Chemie der beiden Darstellerinnen Dominique Provost-Chalkley und Katherine Barrell zu tun, sondern auch damit, wie die Geschichte geschrieben ist. Aber vor allem: Was sie vermieden hat. Kein dramatisches Coming-out, keine quälend in die Länge gezogene Dreiecksgeschichte mit einem Mann und vor allem kein frühzeitiger Serientod einer der Figuren. Als zum Finale der ersten Staffel bei den Fans Befürchtungen aufkamen, dass Nicole – die bis zu diesem Zeitpunkt ja nur eine Nebenfigur war – dieses nicht überleben könnte, hat Showrunnerin Emily Andras sich für einen ungewöhnlichen Schritt entschieden: Sie hat vorab versichert, dass Nicole und Waverly nicht sterben.
Und sie hielt Wort. Nur wenige Monate, nachdem in der Serie The 100 die Figur Lexa durch eine verirrte Kugel gewaltsam zu Tode gekommen war – der Auslöser für eine intensive Debatte des „Bury your Gays“-Klischees – wurde zwar auch Nicole von einer Kugel getroffen. Diese wurde jedoch von der kugelsicheren Weste abgefangen, die Nicole unter ihrem Uniformhemd trug. Eine überraschende, vor allem aber erfreuliche Wendung, die nicht wenige queere Fans als ausgestreckten Mittelfinger an die The 100-Verantwortlichen empfunden haben dürften. (Tatsächlich wurde die Szene wohl bereits vor Ausstrahlung der entsprechenden Folge von The 100 gedreht.)
Mit der Art, wie die „WayHaught“-Geschichte erzählt wurde, aber auch mit der Etablierung weiterer queerer Figuren wurde Wynonna Earp nach und nach immer mehr zu einem sicheren Hafen für queere Serienfans. Der Verlust der Serie nach Staffel 4, obwohl nach einer intensiven Fan-Kampagne Mitte 2019 auch bereits eine fünfte Staffel gesichert schien, trifft daher vor allem auch diese Community hart.
Doch es war nicht nur „WayHaught“, um die die Fans 2019 gekämpft haben und auch jetzt wieder kämpfen. Es war und ist die Serie insgesamt und das, was sie ausmacht.
Da ist diese Mischung aus Humor und ernsten Tönen, teilweise in derselben Folge, die mich immer wieder beeindruckt hat. Eines der besten Beispiele – und eine meiner Lieblingsfolgen – ist Folge 3.07 („I Fall to Pieces“), in der Nicole und Wynonna vom Pech verfolgt zu sein scheinen und, durch Handschellen aneinandergekettet, zunächst vor einer Bande Revenants und dann vor einem Troll fliehen müssen. Hier werden aus den Tränen, die einem vor Lachen kommen, sehr schnell Tränen der Rührung, wenn Sheriff Nedley endgültig zu einem Ersatzvater für Nicole wird, und Tränen für ein gebrochenes Herz, als Wynonna erfährt, dass Doc freiwillig zu einem Vampir geworden ist.
Da ist Wynonna Earp, eine komplexe Frauenfigur mit Ecken und Kanten und immer wieder beeindruckend gespielt von Melanie Scrofano. Wynonna ist eine widerwillige Heldin, die versucht, den Schmerz über ihr Schicksal und die Verluste in ihrem Leben mit Whiskey und Sex zu betäuben, um sich dann doch immer wieder den Dämonen zu stellen – den Revenants ebenso wie ihren inneren – und die alles tun würde, um die Menschen zu schützen, die sie liebt.
Außerdem sind da Doc und Jeremy und Nedley und Mercedes und all die anderen Figuren, die meisten von ihnen Außenseiter und Nerds, die einem aber auch deswegen im Laufe der Zeit umso mehr ans Herz gewachsen sind. Nicht zu vergessen die großartigen Darstellerinnen und Darsteller, die im Laufe der Zeit zu einem Teil der Fan Community – der „Earper“ – geworden sind.
Und es ist noch so viel mehr.
Auch wenn eigentlich noch eine weitere Staffel geplant war, besteht Hoffnung, dass Folge 4.12 dennoch ein guter Abschluss für die Serie sein wird. Wenn man bereits einmal vor dem Aus stand und dann durch eine Pandemie ausgebremst wurde, ist man wohl – hoffentlich – vorsichtig mit Cliffhangern.
So oder so habe ich beschlossen, diese Folge zu feiern, und zwar ganz im Stil einer Wynonna Earp: Mit Whisky und Donuts.
Auf Wiedersehen, Wynonna Earp.