Anfang des Jahres lief auf arte die britische Serie „Vigil“. Sowohl auf Twitter als auch in meinem Ausblick auf das Serienjahr 2022 habe ich jeweils schon kurz über die BBC-Produktion mit Suranne Jones und Rose Leslie in den Hauptrollen geschrieben. Ich hatte aber noch sehr viel mehr Gedanken, von denen ich einige jetzt hier mal aufgeschrieben habe.
- First things first: Natürlich habe ich in die Serie vor allem wegen der Liebesgeschichte zwischen den beiden Hauptfiguren reingeschaut, den Polizistinnen Amy und Kirsten. Dass die Serie auch insgesamt sehr sehenswert ist, war nur ein schöner Bonus. 😉
- Aber im Ernst: Zum Glück sind die Zeiten vorbei, in denen ich Serien nur deshalb gesehen habe, weil es in ihnen eine queere Frauenfigur oder eine Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen gab, und zwar völlig unabhängig davon, ob ich die Serie auch ansonsten gut fand. Inzwischen ist die Diversität insbesondere in internationalen Serien deutlich fortgeschritten und es gibt mehr Repräsentation, so dass ich eine Serie auch einfach manchmal nicht weitersehe, wenn ich mit ihr nichts anfangen kann, selbst wenn es in ihr queere Frauenfiguren gibt.
Vigil nicht weiterzusehen, kam mir aber gar nicht erst in den Sinn, denn ich fand die Serie, auch unabhängig von der Liebesgeschichte, so spannend, dass ich sie tatsächlich weitgehend „gebinged“ habe. Insofern war also nicht die Tatsache, dass die Serie insgesamt sehenswert war, das Sahnehäubchen auf dem Kuchen, sondern die Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen.
- Was ich daran, wie hier eine queere Liebesgeschichte erzählt wurde, ebenfalls sehr toll fand: Dass man sie nicht hätte erzählen müssen. Das klingt jetzt vielleicht erst einmal unlogisch, deshalb hole ich ein bisschen weiter aus:
Ein leider immer noch weit verbreiteter Irrglaube unter Verantwortlichen für Serienproduktionen scheint zu sein, dass es einen Grund geben muss, warum eine Figur queer ist. Ein Beispiel: Wenn es in einem Krimi queere Figuren gibt, wird das fast immer irgendwie thematisiert, d.h. es geht z.B. um Homophobie, Scham oder Angst vor dem Coming-out. Die Queerness der Figuren hat eine Funktion für die Handlung. Dass eine Figur einfach so queer ist, ohne dass es für die Storyline erforderlich ist, kommt immer noch eher selten vor, nicht nur in Krimis, sondern generell. In Vigil ist das aber so.
Zwar ist die Liebesgeschichte von Amy und Kirsten in die Handlung eingewoben; u.a. ist sie die Grundlage für die verschlüsselten Botschaften, die Kirsten Amy an Bord der Vigil schickt. Das hätte aber auch funktioniert, wenn entweder Kirsten oder Amy als männliche Figur erzählt worden wäre. Genau so möchte ich Vielfalt noch öfter sehen: Nicht, weil man sie zwingend für die Geschichte braucht, die erzählt werden soll. Sondern auch wenn man sie für die Geschichte eigentlich nicht braucht.
- Was ich ebenfalls toll fand, gerade weil auch das immer noch selten ist: Wie weiblich die Serie insgesamt ist. Das fängt natürlich mit den beiden Ermittlerinnen an, zieht sich aber durch. Selbst bei der Navy und auf dem U-Boot sind an vielen Szenen – neben Amy und Kirsten – weitere Frauenfiguren beteiligt, und das, obwohl an einer Stelle dargelegt wird, wie das Geschlechterverhältnis an Bord der Vigil ist: Zur Besatzung von ca. 150 gehören lediglich 8 Frauen. Auch hinter der Kamera setzt sich das teilweise fort: Bei den letzten drei Folgen führte mit Isabelle Sieb eine Frau Regie.
- Ich hatte hier schon mal geschrieben, dass es mir Spaß macht, beim Seriengucken zu überlegen, in welcher Rolle ich eine Schauspielerin bzw. einen Schauspieler schon mal gesehen habe. Bei Vigil gab es dazu viel Anlass. Neben Suranne Jones (Scott & Bailey, Gentleman Jack) und Rose Leslie (Game of Thrones, The Good Fight) spielen in der Serie u.a. Shaun Evans (Der junge Inspektor Morse), Martin Compston (Line of Duty, Traces), Connor Swindells (Sex Education) und Stephen Dillane (The Hours) mit.
- Was mich an der Handlung von Vigil zunächst ein wenig irritiert hat: Das Feindbild. Eine Geschichte, in denen „die Russen“ unter Verdacht sind, ein britisches U-Boot sabotiert zu haben, schien mir eher in die Zeit des Kalten Krieges zu gehören und daher irgendwie veraltet. Bis mir ich mir vor Augen führte, dass der Stoff leider doch sehr aktuell ist – was das Weltgeschehen gerade traurigerweise bestätigt.
Amy: „But we’re not at war.“
Commander Newsome: „That is an illusion.“