Queere Frauenfiguren in deutschen Serien: Huch, da gibt’s ja immer mehr!

Den Blog Seriennotizen gibt es inzwischen seit 7 Jahren. Der meistgelesene Beitrag im Blog ist 5 Jahre alt – und zwar genau heute. Ein wunderbarer Anlass, mal wieder einen Blick auf das Thema zu werfen, über das ich damals geschrieben habe und zu schauen, was sich seitdem getan hat.

Der bis heute meistgelesene Blogbeitrag bei Seriennotizen, veröffentlich am 10. November 2019

Beginnen möchte ich aber mit einem Blick zurück, und zwar auf die Umstände, unter denen der Blogbeitrag damals entstanden ist. Der Herbst 2019 war eine ziemlich anstrengende Zeit für mich. Wegen eines Wasserschadens war ich aus meiner Wohnung ausquartiert, und weil die Renovierung sich immer wieder verzögerte, musste ich mir alle paar Tage eine neue Unterkunft suchen. Auch aus anderen Gründen ging es mir nicht gut. Was mich ein wenig tröstete war, dass es endlich mal wieder in gleich mehreren deutschen Serien queere Frauenfiguren gab. Also schrieb ich darüber.

Den Artikel stellte ich an einem Sonntag um die Mittagszeit online und flüchtete dann aus der kleinen Wohnung, in die ich mich über Airbnb einquartiert hatte, ins Kino, zu Porträt einer jungen Frau in Flammen. Ich rechnete nicht wirklich mit unmittelbarer Resonanz auf den Beitrag, wie gesagt: Es war Sonntagmittag. Umso überraschter war ich, als ich aus dem Kino kam und auf mein Handy guckte. Die Zugriffszahlen waren bereits nach kurzer Zeit hoch und sollten in den nächsten Tage noch weiter steigen, u.a. weil der Beitrag von Schauspielerinnen, über deren Figuren ich geschrieben hatte, auf ihren Social Media-Kanälen geteilt wurde. Darüber freute ich mich natürlich – einerseits. Andererseits konnte ich in der damaligen Situation mit der Aufmerksamkeit nicht wirklich gut umgehen und überlegte tatsächlich kurz, den Beitrag wieder vom Blog zu nehmen.

Das ist nun, wie gesagt, 5 Jahre her und zum Glück habe ich es nicht getan. Denn noch immer wird der Beitrag abgerufen und hat teilweise mehr Zugriffe als neuere Veröffentlichungen. Das ist zwar erfreulich, manchmal aber auch ein bisschen frustrierend. Aber auch deshalb möchte ich zum Jubiläum mal schauen, was sich in den letzten 5 Jahren getan hat und vor allem, was aus meinem vorsichtigen Optimismus geworden ist, über den ich damals geschrieben habe.

Zunächst mal die Fakten: Von den 7 Serien mit queeren Frauenfiguren, die ich damals aufgelistet hatte, werden nur noch zwei fortgesetzt und nur in einer gibt es noch eine der damals aufgelisteten Figuren. Dark, Lindenstraße und Rentnercops wurden dabei geplant beendet und erhielten somit einen Abschluss, Gipfelstürmer und Dead End wurden schlicht nicht weiterproduziert. Von SOKO Potsdam gibt es zwar weiterhin regelmäßig neue Folgen, allerdings ist die queere Kommissarin Luna nicht mehr dabei. Und bei In aller Freundschaft hat sich das Pärchen Miriam und Rieke, das sich damals ganz frisch gefunden hatte, inzwischen schon wieder getrennt. Miriam ist aber noch Teil des Figurenensembles und regelmäßig in der Serie zu sehen.

Bis hierhin klingt das also eigentlich alles nicht so gut. Zum Glück geht dieser Beitrag aber noch weiter. Denn tatsächlich hat sich die Sichtbarkeit queerer Frauen in deutschen Serien aus meiner Sicht positiv entwickelt. Das sieht man schon, wenn man einen Blick auf die Übersicht queerer Frauenfiguren in deutschen Serien hier im Blog wirft, die ich zwischenzeitlich erstellt habe und versuche, regelmäßig zu aktualisieren.

Da sind in der Rubrik Aktuell zwar auch einige Serien dabei, von denen es keine weiteren Folgen geben wird, die aber noch relativ frisch sind und in der Mediathek abrufbar, weshalb ich sie noch nicht ins Archiv verschoben habe. Aber allein, dass es sie überhaupt gab, finde ich erfreulich. Und es gab in den letzten 5 Jahren sogar noch deutlich mehr Storylines mit queeren Frauenfiguren, die zwar inzwischen beendet sind, aber sogar teilweise einen ähnlichen Hype ausgelöst haben wie früher die Frauenpärchen bei Verbotene Liebe und GZSZ. Dazu gehören die Storylines von Chiara und Ava in Alles was zählt sowie Carolin und Vanessa in Sturm der Liebe. In beiden Serien sind die Figuren jeweils nicht mehr dabei, aber für beide Frauenpaare gab es immerhin ein Happy End.

Und dann war da noch Hotel Mondial. Die Begeisterung für die Liebesgeschichte zwischen Hotelchefin Eva und Köchin Uli erinnerte mich stellenweise an den „Jemma“-Hype, insbesondere auch, weil die Fan Community sich nicht auf Deutschland beschränkte, sondern international war. Und ähnlich wie bei Hand aufs Herz damals kämpften auch hier die Fans für den Erhalt der Serie. Als die Befürchtung wuchs, Hotel Mondial könnte nach der zweiten Staffel nicht verlängert werden, initiierten sie eine Petition für die Fortsetzung der Serie und sammelten mehrere Tausend Unterschriften ein. Anders als bei den oben aufgeführten Storylines bei AWZ und SdL blieb das Happy End aber leider aus – sowohl das für die Fans als auch das für Eva und Uli, denn die Serie wurde nach Staffel 2 ohne Abschluss eingestellt.

Gesine Cukrowski als Eva (links) und Agnes Mann als Uli in „Hotel Mondial“ (Foto: ZDF/Maik Fløder)

Was mich dabei neben der Tatsache, dass hier ein wichtiges Stück Sichtbarkeit verloren ging, zusätzlich frustrierte: Der Eindruck, dass vielen Verantwortlichen in deutschen Sendern anscheinend immer noch nicht bewusst ist und sie total überrascht sind, dass es nicht nur ein Publikum für queere Storylines gibt – manchmal sogar international! -, sondern wie loyal und leidenschaftlich die Fans meistens sind. Das ist alles nicht neu, das kann man mitbekommen, wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt. Immerhin: Spätestens nach dieser Erfahrung dürfte selbst beim ZDF endgültig angekommen sein, dass es eine Nachfrage nach Figuren wie Eva und Uli gibt, die sogar gleich zwei Gruppen repräsentiert haben, die derzeit um mehr Sichtbarkeit kämpfen: queere Frauen und Frauen über 40.

Und es gab in den vergangenen 5 Jahren auch noch weitere frustrierende Momente. Beispielsweise wünsche ich mir immer noch, dass Autor*innen, die Geschichten mit queeren Figuren schreiben, wenigstens einmal kurz googeln, was „bury your gays“ bedeutet und warum das problematisch ist. Aber es gab eben auch viel, worüber ich mich gefreut habe. Nur einige meiner Highlights: Eva und Bahar in der ARD-Serie Haus aus Glas, die ich auch insgesamt richtig gut fand; Staša und Brigita im Kroatien-Krimi, auch wenn es hier leider kein Happy End gab; dass über Doris, die Frau von Kommissarin Maike in WaPo Elbe, nicht nur gesprochen wurde, sondern dass die beiden als Ehepaar gezeigt wurden, was sie ja eben sind; und schließlich Annika und Helena in der ZDFneo-Serie Wir, bei der ich immer noch auf eine Fortsetzung hoffe.

Es wird auch weiterhin wichtig bleiben, die Verantwortlichen in den deutschen Fernsehsendern und Produktionsgesellschaften in die Pflicht zu nehmen, Diversität zu zeigen. Gerade jetzt. Im Hinblick auf die Themen dieses Beitrags – Queerness in Serien, aber auch die Sichtbarkeit von Frauen 47+, – sind da vor allem Initiativen wie die Queer Media Society und Let’s Change the Picture von Schauspielerin Gesine Cukrowski zusammen mit Palais F*luxx relevant. Es ist aber eben auch manchmal wichtig, innezuhalten und zu schauen, was alles erreicht wurde, vor allem, wenn es positiv ist.

Zum Abschluss noch mal einige persönliche Worte: Als ich mich hingesetzt habe, um diesen Beitrag zu schreiben, war ich nicht sicher, wie er ausfallen würde. Ich war bedrückt von den Nachrichten dieser Woche und vor allem ratlos, was den Zustand der Welt angeht. Mich mit etwas zu beschäftigen, das schon so lange und noch immer meine Leidenschaft ist, nämlich Fernsehserien, hat geholfen. Genauso wie daran erinnert zu werden, dass es mir heute so viel besser geht als vor 5 Jahren. (Ja, trotz allem.) Und ich freue mich, dass ich den Beitrag insgesamt optimistisch halten und ein positives Fazit ziehen konnte. Vielleicht hat ihn zu lesen ja auch ein bisschen geholfen.

Last but not least: Ich habe in letzter Zeit wieder ein bisschen mehr über queere Frauenfiguren in Serien geschrieben, und zwar in meinem Newsletter queer notes. Mehr Infos, die bisherigen Ausgaben und die Möglichkeit zum Abonnieren gibt es hier: