Einige Gedanken zum aktuellen Fall des Hamburger Tatort-Teams Falke und Grosz.
Ich gucke selten Tatort.
Früher war das anders, da habe ich regelmäßig am Sonntagabend das erste Programm eingeschaltet. Inzwischen passiert das nicht mehr sehr oft. Nicht einmal für die Folgen mit dem Team aus meiner Wahlheimat Hamburg.
Eine Ausnahme habe ich nur Anfang letzten Jahres gemacht. Ich hatte gelesen, dass Kommissarin Julia Grosz, die seit einiger Zeit dabei ist, vielleicht gegebenenfalls eventuell queer sein könnte. Jedenfalls war da mal was, in einer vorherigen Folge, so eine Andeutung. Die Folge, die ich gesehen habe, hieß „Tödliche Flut“. Ich fand sie nicht besonders gut und zu allem Überfluss war ich danach auch nicht schlauer, was die Sexualität der Kommissarin angeht.
Auch in den neuesten Fall des Teams Falke und Grosz wollte ich eigentlich nicht unbedingt reinschauen. Und das, obwohl angekündigt war, dass Julia eine Ex-Geliebte wiedertrifft und, nachdem diese verschwunden ist, undercover in der queerfeministischen Szene ermittelt. Ein Artikel im Tagesspiegel machte mich dann aber doch neugierig. Klang alles gar nicht so schlecht. Zumal der Fall auf wahre Gegebenheiten zurückgriff, die hier in Hamburg vor einigen Jahren für Schlagzeilen gesorgt hatten. Interessant fand ich auch, dass bei der Produktion ein sogenannter „Inclusion Rider“ eingesetzt wurde. Diese Vertragsklausel soll sicherstellen, dass Cast und Crew einer Produktion möglichst vielfältig besetzt sind.
Gut angefangen und dann doch enttäuscht
Und tatsächlich fand ich die Folge anfangs gar nicht schlecht. Dabei war mir sogar fast egal, dass Kommissarin Grosz immer noch rumgeeiert hat. Immerhin hat sie zugegeben, dass sie in ihre Ex Ela wirklich verliebt war und es nur deshalb auseinander gegangen ist, weil sie nicht dazu stehen konnte. Und sie hat eine andere Frau geküsst. Dabei waren zwar Alkohol und Koks im Spiel. Allerdings schien es nicht so, dass sie ansonsten keine Frau geküsst hätte, vielleicht nur nicht unbedingt diese.
Mir hat auch gut gefallen, dass man sich sichtlich bemüht hat, im Konflikt zwischen der linken Szene und der Polizei nicht von vornherein Partei zu ergreifen. Beide Seiten wurden einigermaßen differenziert dargestellt.
Wenn dann nicht das Ende gewesen wäre.
Denn mit dieser bemühten Neutralität hat man sich wohl in ein Dilemma manövriert, dass nur aufgelöst werden konnte, indem auf Klischees zurückgegriffen wurde: Es waren keine politischen Motive, sondern Eifersucht und gekränkte männliche Eitelkeit, die dazu geführt haben, dass am Schluss zwei Frauen tot waren.
Der Täter war der Ehemann der verdeckten Ermittlerin Ela. Der konnte nicht ertragen, dass seine Frau ihn wegen Nana verlassen wollte, einer Aktivistin, in die sich Ela während ihres Undercover-Einsatzes in der linken Szene verliebt hatte. Deshalb verübte er einen Brandanschlag auf das Haus eines Polizisten, um den Verdacht auf seine „Nebenbuhlerin“ zu lenken. Dabei kam allerdings die Frau des Polizisten ums Leben. Und schließlich brachte er doch seine Ehefrau um.
Uff. Musste das sein?
„Bury Your Gays“
Wer sich ab und zu mit dem Thema „Sichtbarkeit und Repräsentation queerer Menschen in den Medien“ beschäftigt, hat wahrscheinlich schon einmal von „Bury Your Gays“ gehört. Für alle, die nicht wissen oder sich nicht sicher sind, was damit gemeint ist, hier eine – deutlich vereinfachte – Erklärung: Von „Bury Your Gays“ ist die Rede, wenn mal wieder eine nicht-heterosexuelle Figur ums Leben kommt. Das tun sie in Serien und Filmen nämlich leider überproportional häufig, und oft ohne zwingenden Grund.
„Bury Your Gays“ ist ein historisches Erbe aus einer Zeit, als Homosexualität grundsätzlich nicht positiv dargestellt wurde. Die Figuren mussten leiden, es durfte ihnen kein Happy End vergönnt sein. Dass das zum Glück heute nicht mehr so ist, hat lange Zeit nichts daran geändert, dass weiterhin überdurchschnittlich viele queere Figuren in Filmen und Serien sterben mussten. Überdurchschnittlich auch deshalb, weil es nun einmal immer noch nicht so viele von ihnen gibt.
Während viele internationale Produktionen inzwischen verstanden haben, dass sie vielleicht einmal mehr darüber nachdenken sollten, ob sie ihre queeren Figuren wirklich sterben lassen, hat man bei deutschen Produktionen leider nicht das Gefühl. Das mag auch damit zu tun haben, dass deutsche Serienproduktionen sehr Krimi-lastig sind. Etwas platt könnte die Erklärung lauten: In Krimis gibt es halt viele Mordopfer und da ist dann auch mal eines queer.
Mal davon abgesehen, dass diese Krimi-Lastigkeit sowieso ein Problem ist, weil sie die deutsche Serienlandschaft eintönig und langweilig macht, wäre es gerade deshalb umso wichtiger, dass es auf Seiten der Ermittelnden mehr queere Figuren gibt, die eben nicht sterben. Quasi als Ausgleich. Und dabei auch gern welche, die kein Problem damit haben, dazu zu stehen, wen sie lieben.
Frauen als Opfer
Neben der Tatsache, dass queere Sichtbarkeit hier schon wieder tragisch endete, fand ich in „Schattenleben“ aber noch etwas anderes problematisch: Dass hier am Schluss gleich zwei Frauen tot waren, eine davon durch Femizid.
Die MaLisa-Stiftung hat letztes Jahr im November, zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, die Ergebnisse einer Studie zu geschlechtsspezifischer Gewalt im deutschen Fernsehen vorgestellt. (Auf Twitter gibt es dazu einen ausführlichen Thread.) Nicht überraschend kommt diese meist in Krimis vor und trifft häufig Frauen und Kinder.
In „Schattenleben“ gibt es gleich zwei weibliche Opfer. Von dem einen Opfer erfährt man so gut wie nichts, außer dass sie die Frau eines Polizisten und Mutter eines Babys war. Sie hatte letztlich nur eine dramaturgische Funktion, als Zufallsopfer. Das zweite Opfer wurde gezielt getöt. Von ihr weiß man ein wenig mehr, vor allem dass ihr Tod damit zusammenhängt, dass sie ihren Mann verlassen wollte, weil sie sich verliebt hat. In eine andere Frau. Ein klassischer Femizid. Das Wort fällt aber leider nicht.
Dass hier wieder Frauen zu Opfern wurden, lässt sich aus meiner Sicht auch nicht dadurch rechtfertigen, dass – wie jetzt manche vielleicht gern einwenden würden – das Drehbuch für „Schattenleben“ von einer Frau stammt (Lena Fakler) und eine weitere Frau (Mia Spengler) Regie geführt hat. Dass man selbst einer bestimmten Gruppe angehört, verhindert nicht notwendig, dass man diese Gruppe betreffende Stereotype reproduziert, gerade wenn sie in unserer Fernsehlandschaft gang und gäbe sind.
Das ist umso bedauerlicher, als gerade in diesem Tatort ja auf Vielfalt gesetzt wurde. Das Beispiel zeigt aber, dass auch ein Inclusion Rider nicht automatisch zu guter Repräsentation führt. Dazu gehört eben auch die entsprechende Geschichte. „Schattenleben“ endet damit, dass zwei queere Frauen um die Frau trauern, die sie beide geliebt haben. Das ist zwar Sichtbarkeit, aber eine, von der es dann doch nicht so viel braucht.
Dennoch bleibt der Inclusion Rider sicherlich ein wichtiges Instrument, um auch in deutschen Film- und Fernsehproduktionen mehr Vielfalt zu erreichen. Und beim nächsten Mal klappt das dann vielleicht auch ohne den Rückgriff auf Klischees.