Rauchende Frauen. Saufende Frauen. Schöne Frauen.

Es gibt Filme, die einen so begeistern, dass man sie sofort noch einmal sehen muss. Und dann noch einmal. Und noch einmal. Bis man irgendwann feststellt, dass man die Dialoge bereits im Schlaf mitsprechen kann. Ein solcher Film war und ist für mich „Schöne Frauen“.

In dem Film geht es – wie der Titel schon sagt – um schöne Frauen, genauer um die Schauspielerinnen Barbara (Floriane Daniel), Dana (Julia Jäger), Geno (Clelia Sarto), Kandis (Carolina Peters) und Karin (Ulrike C. Tscharre), die sich zu einem Casting für einen Fernsehkrimi einfinden. Die Wartezeit zieht sich hin, und nach anfänglichem Beäugen der Konkurrenz und dem Austausch kleiner Seitenhiebe („Sag mal, hast du ein bisschen zugenommen?“) kommen sie irgendwann frustriert zu der Erkenntnis, dass es sich bei dem zu besetzenden Film um „Serienkiller-Erotikthriller-Fernsehscheiße“ handelt, die eigentlich keine von ihnen spielen will. Kurzerhand schmeißen sie das Casting und beschließen nach einem Zwischenstopp an der Pommesbude, sich auf die Suche nach einem Berg zu begeben, weil, wenn man von einem Berg ins Tal hinunter schaut, unten alles plötzlich viel kleiner wirke, einschließlich der eigenen Probleme.

Dumm nur, dass sie sich in der norddeutschen Tiefebene befinden, wo es höchstens einige Hügel, aber keine hohen Berge gibt, und so landen sie stattdessen irgendwann am Meer und auf der Suche nach einem Schlafplatz in einem kleinen Hotel, das während der Winterpause von zwei Musikerinnen („Queen Bee“ Ina Müller und Edda Schnittgard) als Proberaum genutzt wird.

Ausgerüstet mit den Beständen sämtlicher Mini-Bars des Hotels quartieren sich die Fünf in eines der Zimmer ein und beginnen zu trinken und zu reden – über das Leben und die Liebe, über Männer und Frauen, über die Fehler der anderen und die eigenen kleineren und größeren Schwächen, über ihre Wünsche und Ängste und insbesondere die aktuellen Probleme, die sie alle mit sich herumtragen: Barbara, die ihrem Freund eine Nachricht nach der anderen auf der Mailbox hinterlässt, ohne jemals von ihm zurückgerufen zu werden; Dana, die ungeplant schwanger ist und um ihre Karriere fürchtet; Geno, die es nicht schafft, ihre Freundin zu verlassen, obwohl sie sie nicht mehr liebt; Kandis, die oberflächlichen Sex hat, sich aber eine Beziehung wünscht; und Karin, die ein Kinderstar war und es nicht schafft, als Erwachsene im Leben Fuß zu fassen. Es wird gelacht, geweint, gezickt, geküsst und geohrfeigt, und die Nacht endet für die meisten mit einem ganz persönlichen Schwur für die Zukunft.

Es scheint, als habe sich Autor und Regisseur Sathyan Ramesh von dem George Cukor-Klassiker „Die Frauen“ inspirieren lassen, in dem fast nur über Männer, insbesondere die Ehemänner, geredet wird, diese aber während des gesamten Films nicht in Erscheinung treten. Auch in „Schöne Frauen“ sind außer den 5 Hauptdarstellerinnen und den beiden Damen von Queen Bee keine weiteren Darsteller jemals vollständig im Bild zu sehen; es geht eben nur um die Frauen, und von diesen soll nicht abgelenkt werden.

„Schöne Frauen“ ist jedoch nicht nur eine Liebeserklärung an Frauen, sondern zugleich auch eine Hommage an die Liebe zwischen Frauen, und zwar in all ihren Facetten. Auch das macht den Film bemerkenswert – er zeigt zum einen die rein freundschaftliche Zärtlichkeit, die es zwischen Frauen geben kann, so z.B., als Barbara sich am Morgen nach dem Besäufnis um die total verkaterte Kandis kümmert. Zum anderen wird jedoch auch die romantische, erotische Liebe zwischen Frauen dargestellt, und das auf eine herrlich unaufgeregte Art und Weise. Genos Probleme mit ihrer Freundin werden von den anderen ebenso ernst genommen – und bissig kommentiert – wie Barbaras Probleme mit ihrem Freund. Irgendwo dazwischen schließlich liegt die Annäherung zwischen Dana und Karin. Hier wird nicht deutlich, was für eine Art von Beziehung zwischen den beiden besteht oder sich ggf. entwickelt. Das mag für romantisch veranlagte Zuschauerinnen wie mich, die sich grundsätzlich ein Happy End mit lauter glücklichen lesbischen Paaren wünschen, ein wenig frustrierend sein, ist jedoch stimmig – auch im wahren Leben kann und muss eben nicht immer alles erläutert werden, schon gar nicht, wenn es um Gefühle geht.

Sathyan Ramesh hat nicht nur seinen Darstellerinnen, denen er das Drehbuch auf den Leib geschrieben hat, mit diesem Film ein Geschenk gemacht, sondern auch dem Publikum. Die Dialoge sind toll geschrieben und wirken dennoch nicht künstlich, sondern wie aus dem Leben gegriffen, die Pointen sind niemals platt, sondern treffsicher und teilweise brüllkomisch. Dass Ramesh auch gleich noch die Regie übernommen hat, trägt sicherlich dazu bei, dass der Film jederzeit nachvollziehbar bleibt, was bei der auf den ersten Blick etwas konstruiert wirkenden Geschichte nicht unbedingt zu erwarten wäre. Ramesh schafft es jedoch, sein Publikum mitzunehmen, aus dem grellen Warteraum beim Casting in die Pommesbude, und vom Berg, der keiner ist, in das leere Hotel am Meer, ohne dass man sich eine Sekunde verwundert fragen muss, wie die Fünf eigentlich dort hingelangt sind.

Die Darstellerinnen spielen großartig und insbesondere völlig uneitel, und das ganze wird abgerundet durch die Musik von Queen Bee, die zu jeder Stimmung das passende Lied beisteuern. Insbesondere „Ich bin noch da“ wird dabei zu einer mitreißenden Hymne für die Frauen, die nach der durchzechten Nacht am nächsten Morgen völlig verkatert, aber auch verändert und mit neuer Entschlossenheit den Heimweg antreten – seht her, was wir bisher alles überlebt haben, wir werden auch das, was kommen mag, überleben.

Nachdem er 2005 für kurze Zeit im Kino gelaufen ist und auch schon ab und zu im Fernsehen zu sehen war, gibt es „Schöne Frauen“ zum Glück seit letztem Jahr auf DVD, die als besonderes Highlight eine Kommentierung des Films durch die fünf Hauptdarstellerinnen gemeinsam mit Autor und Regisseur Sathyan Ramesh enthält.

Prädikat: Unbedingt sehenswert.

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